TOP: Nachtragshaushalt 2024 -

Rede zum Nachtragshaushalt in der Kreistagssitzung vom 18.04.2024 des
Fraktionsvorsitzenden Bert Wendsche, Oberbürgermeister Radebeul

TOP: Nachtragshaushalt 2024

Sehr geehrter Herr Landrat,

Liebe Kolleginnen und Kollegen Kreisräte,

an sich geschieht heute nichts Ungewöhnliches - wir passen unsere Jahresplanung auf Grund neuer Entwicklungen und Erkenntnisse an die Realität an. Ebenso wenig spektakulär ist es, dass dabei zugleich auch der Haushaltsbegleitbeschluss unserer Fraktion zur Fortschreibung der Mittelfristplanung umgesetzt wird.

Doch damit hört die Normalität auch schon auf, denn die Fortschreibung führt nicht etwa, wie es unsere Intention war, zu einer Verbesserung der finanziellen Lage, sondern zu einer weiteren Verschlechterung. Unter Ausnutzung aber wohl auch aller haushaltstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten gelingt es gerade noch so, finanziell über die Jahre 2025/26 zu kommen. Spätestens dann ist kein gesetzeskonformer Haushalt mehr möglich. Wie nennt man so etwas wohl in der Privatwirtschaft? Ein jeder weiß es.

Und dennoch werden wir uns heute nicht beim Klein-Klein der Niederungen des Haushaltes aufhalten und dem vorliegenden Nachtrag zustimmen.

Denn viel wichtiger ist es aus Sicht unserer Fraktion, sich die eigentlichen Ursachen der Haushaltsschwäche bewusst zu machen und anzugehen. Ansonsten erleben wir jahrein, jahraus mit immer bittereren Molltönen dasselbe Spiel.

Wir können in den öffentlichen Kassen stets nur das ausgeben, was vorher in der Wirtschaft auch erarbeitet wurde.

Und hier klopfen wir uns seit Jahren immer wieder öffentlich auf die Schultern, das Sachsen das ostdeutsche Wirtschaftswunderland sei. Die Realität ist längst eine andere: Nimmt man das BIP pro Arbeitsstunde – zum Vergleich der tatsächlichen Wertschöpfungskraft eines Landes der wohl beste Indikator – dann ist Sachsen im Vorjahr gerade noch so am letzten Platz in Deutschland vorbeigeschrammt, Thüringen war noch ein klein wenig schlechter. Schaut man sich jedoch ergänzend die Entwicklung der letzten 10 Jahre an, hier weist Sachsen unter allen ostdeutschen Bundesländern den schlechtesten Wert auf, dann muss man kein Prophet sein, dass auch Thüringen uns in naher Zukunft überholt haben wird. Das Gegenteil von Wirtschaftswunderland!

Und? Hat man den Eindruck, dass das jemanden ernsthaft interessiert? Hat man nicht eher den Eindruck, dass man sich in seiner Wirtschaftsschwäche längst bequem eingerichtet hat? Sollen doch bitte Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die Kärrnerarbeit leisten und die Gelder für den innerdeutschen Finanzausgleich erwirtschaften.

Man kann dies so sehen oder auch nicht, Realität ist jedoch, dass dies mit einem Land etwas macht. Die unmittelbare Folge ist, dass es immer schwerer wird, noch geordnete öffentliche Haushalte darzustellen. Realität ist aber auch, dass dies auf die Stimmungslage eines Landes drückt, da tatsächlich immer weniger losgeht. Von der Ansiedlungsattraktivität ganz zu schweigen.

Ja, jetzt können wir bei der Ursachenforschung in bewährter Weise mit dem Finger auf Bund und Land zeigen und ein lautstarkes Klagelied anstimmen. Alles durchaus richtig und berechtigt, doch die alles entscheidende Frage ist, was können wir, was können wir im Landkreis Meißen tun, um unseren Teil für neue wirtschaftliche Dynamik beizutragen, zu neuer Aufbruchstimmung, zu neuem Respekt für Wertschöpfung, gar zur dringend gebotenen Vorfahrt für Wertschöpfung?

Schauen wir einmal nach Hessen: Dort ist es erklärtes Ziel der Landesregierung, dass man stets schneller wirtschaftlich wachsen will als der gesamtdeutsche Durchschnitt und dies rechnet man alljährlich öffentlich ab.

Stellen wir uns doch öffentlich das Ziel, dass der Landkreis Meißen der wirtschaftlich am schnellsten wachsende Landkreis in Sachsen sein möge. Mit aller Konsequenz.

Verpflichten wir uns als Landkreis dazu, dass wir sämtliche Ermessenspielräume in Genehmigungsverfahren aller Art stets zu Gunsten der Antragsteller ausschöpfen, anstatt hier noch einen „Goldstandard Meißen“ drauf zu setzen.

Nehmen wir uns öffentlich vor, die schnellste Genehmigungsbehörde Sachsens sein zu wollen und rechnen dies transparent öffentlich ab.

Fahren wir die Bürokratie zurück und reden darüber, auch wenn es Anfangs nur kleine Schritte sein können. Jede Formularzeile weniger, jede auch noch so kleine Verkürzung im Antragsverfahren, jede Abfrage weniger hilft.

Holen wir die Städte und Gemeinden hier mit ins Boot, nur so wird aus der Vorfahrt für Wertschöpfung tatsächlich ein Schnellboot.

Geben wir angesichts des dramatischen demografischen Rückgangs des Arbeitskräftepotenzials das Versprechen ab, dass diesen Rückgang nicht allein der private Sektor schultern muss, sondern in einem Fairnesspakt öffentlicher und private Sektor gleichermaßen. Allein in den letzten 5 Jahren wuchs die Stellenzahl der Kreisverwaltung um (Stellenplan 2019 1.357,238 Stellen, Stellenplan 2024 1.528,828) 171,59 Stellen oder +12,6 % auf. Damit muss ein für alle Mal Schluss sein.

Haken wir uns gemeinsam unter zu einem neuen Klima des Ermöglichens, des Ermöglichens von Wirtschaftskraft, von Wertschöpfung. Hier sind wir alle gefordert, Kreistag und Kreisverwaltung, natürlich auch unsere Fraktion.

Doch seien sie sicher, wir werden hier nicht lockerlassen. Wir werden dies unserer neuen Kreistagsfraktion als Kernaufgabe mit auf den Weg geben. Lassen sie uns das gemeinsam zu unserer Kernaufgabe machen.

Nur wenn uns dies gemeinsam gelingt, werden die Haushaltsmolltöne wieder verschwinden, nur so kommen wir wieder zu Gestaltungshaushalten.

Respekt für Wertschöpfung! Vorfahrt für Wertschöpfung!

Anlage:

BIP je Arbeitsstunde in jeweiligen Preisen 2023

Bundesland

BIP je Arbeitsstunde

% von Bundesdurchschnitt

Baden-Württemberg

71,02

106,3

Bayern

72,79

108,9

Berlin

65,48

98,0

Brandenburg

61,80

92,5

Bremen

66,00

98,7

Hamburg

81,13

121,4

Hessen

72,11

107,9

Mecklenburg-Vorpommern

56,73

84,9

Niedersachsen

64,89

97,1

Nordrhein-Westfalen

64,73

96,8

Rheinland-Pfalz

63,90

95,6

Saarland

59,98

89,7

Sachsen

55,04

82,3 (2)

Sachsen-Anhalt

57,66

86,3

Schleswig-Holstein

60,09

89,9

Thüringen

53,97

80,7 (1)

Deutschland

66,84

100,0

Veränderung in den letzten 10 Jahren (2023 versus 2013):

  • -Brandenburg +23,49 EUR oder +61,3%
  • Mecklenburg-Vorpommern +21,29 EUR oder +60,0%
  • Sachsen +19,25 EUR oder +53,8%
  • Sachsen-Anhalt +20,43 EUR oder +54,9%
  • Thüringen +19,35 EUR oder +55,9%

Quelle: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2023, hrsg. vom Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ im Auftrag der Statistischen Ämter der 16 Bundesländer, des Statistischen Bundesamtes und des Statistischen Amtes Wirtschaft und Kultur der Landeshauptstadt Stuttgart.