Reusch Dr  Ulrich Jpg

Kommunaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Landkreis Meißen

Rede von Kreisrat Dr. Ulrich Reusch, Sprecher der CDU-Fraktion im Sozialausschuß, zur Sitzung des Kreistages am 22.09.2016 in Riesa:

Die CDU-Fraktion freut sich darüber, daß der Kommunale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention heute als erster Sachpunkt behandelt wird. Das entspricht seiner Bedeutung und ist zugleich eine Referenz an die Menschen mit Behinderungen sowie an all diejenigen, die sich für deren gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in unserem Landkreis einsetzen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention, beschlossen 2006, in Kraft getreten 2008, ist seit ihrer Ratifikation 2009 geltendes nationales Recht auch in Deutschland. Bund, Länder und Gemeinden haben sich zunächst schwer getan mit ihrer Umsetzung. Vielfach wurde zunächst überhaupt bestritten, daß es angesichts unserer ausgefeilten Sozialgesetzgebung überhaupt einer besonderen Umsetzung bedürfe.

Es mußte zuerst einmal ein Denkprozeß, besser: ein Um-Denkprozeß eingeleitet werden, forciert im übrigen durch die Richtlinien der Europäischen Union, die sich der Umsetzung frühzeitig verschrieben hatte. Hier war Brüssel wirklich einmal ein wichtiger und vor allem richtiger Impulsgeber.

Was machte die Sache so schwer, und um was geht es eigentlich?

Es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als einen breiten Bewußtseinswandel in allen unseren Lebensbereichen, was den Umgang mit Behinderungen und mit Menschen mit Behinderungen betrifft. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und zielt darauf ab, daß das gemeinsame Leben von Menschen ohne und von Menschen mit Behinderungen als normal, als die Normalität, begriffen und entsprechend gestaltet wird. Ein hoher Anspruch, wenn man ihn ernst nimmt. Und das müssen wir und das wollen wir auch im Landkreis Meißen.

Der Schlüsselbegriff ist „Inklusion“, der insoweit „Integration“ ersetzt. Das ist kein bloßer Etikettentausch: Dahinter steht ein tiefgreifender Paradigmenwechsel, ein grundlegendes Umdenken. Einfach gesagt: Es geht nicht länger nur darum, wie Menschen mit Behinderungen gewissermaßen nachträglich integriert werden können, vielmehr muß ihre gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von vornherein ermöglicht werden. Davon profitieren übrigens auch weitere Bevölkerungskreise, wie z. B. Kinder, Eltern mit Kindern oder ältere Menschen.

Ein praktisches Beispiel ist die Barrierefreiheit, und zwar nicht nur im Hoch- und Tiefbau für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, sondern auch bei der räumlichen Orientierung, beim Umgang mit Texten sowie in den Medien. Wer denkt schon bei der Gestaltung von Formularen, Wegweisern, Flyern usw. daran, daß es Menschen gibt, die farbenblind sind oder auch nur eine Rot-Grün-Schwäche haben? Anderen Sehbehinderten ist schon mit einer klaren und hinlänglichen großen Schrifttype geholfen.

Eine einfache Sprache bei behördlichen Schriftsätzen erleichtert zudem das Verständnis, was übrigens fast allen Lesern zugute kommen dürfte. Praktische Inklusion führt mithin oftmals zu einer „win-win“-Situation für alle.

Der Landkreis ist in vielfacher Hinsicht betroffen, z. B. als Arbeitgeber, als Schulträger, als Fördermittelgeber, als Träger der Jugend- und Sozialhilfe und nicht zuletzt als Behörde, die den allgemeinen Anspruch der Bürgerfreundlichkeit für sich erhebt. Und Bürgerfreundlichkeit muß für alle Bürger, auch solche mit Handicap, gleichermaßen gelebt und erlebbar werden.

Insoweit versucht der vorgelegte Plan, diese zahlreichen Bereiche abzubilden. Er ist unter Einbeziehung aller Betroffenen erarbeitet worden, und er muß, wie in Beschlußziffer 3 vorgesehen, regelmäßig fortgeschrieben werden.

Inklusion ist auch für unseren Landkreis eine Daueraufgabe und ein Prozeß, der zunächst in den Köpfen der Menschen, zumal der Menschen ohne Behinderungen, ablaufen muß. Daher gilt es, wie in Beschlußziffer 2 vorgesehen, für diesen Aktionsplan zu werben. Es wäre sehr hilfreich, wenn auch die Städte und Gemeinden im Landkreis, soweit noch nicht geschehen, eigene Aktionspläne erstellten. Denn schon der damit angestoßene Diskussionsprozeß ist Teil der Lösung.

Inklusion heißt: Respekt haben vor Menschen, die aufgrund von Behinderungen anders sind, aber dieselben Rechte haben wie alle anderen auch, indem allen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben ermöglicht wird. Diese Gemeinsamkeit wird allen zugute kommen und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken, denn jeder zählt! Inklusion ist keine Kür, sondern spätestens seit der UN-Behindertenrechtskonvention ein Pflichtprogramm zumal für die öffentliche und die kommunale Selbstverwaltung.

Mit diesem Aktionsplan ist ein Anfang gemacht. Es liegt nun an uns, am Sozialausschuß und an den beteiligten Vereinen, Gruppen, Schulen und Verbänden diesen - zugegeben nicht einfachen - Weg Schritt für Schritt weiterzugehen und zu einem nachhaltigen Erfolg zu führen. Die CDU-Kreistagsfraktion wird sich auch weiter engagiert daran beteiligen.